Primäre Hyperoxalurie

Oxalat ist ein Endprodukt des Stoffwechsels und wird, solange die Nierenfunktion ausreichend ist, fast komplett über den Urin ausgeschieden. Bei extrem hoher Oxalatausscheidung, wie bei der primären Hyperoxalurie (PH) üblich, ist der Urin immer für Calcium-Oxalat (CaOx) übersättigt. Dies führt zu Ablagerungen dieser Kristalle im Nierengewebe (Nephrocalcinose) oder zu Steinbildung in den ableitenden Harnwegen. Beides löst eine chronische Entzündungs- und Vernarbungsreaktion und schließlich eine Nierenfunktionseinschränkung aus.

Neben der Ablagerung von CaOx in den Nieren kommt es bei zunehmender Einschränkung der Nierenfunktion zu einer systemischen Oxalose, welche u.a. Auge, Herzmuskel, Gefäßwände, Haut, Knochen und das Zentralnervensystem betrifft. Als Folge kommt es neben der Nierenfunktionseinschränkung zu verschiedenen Oxalose typischen Organerkrankungen wie Blindheit, Herzrhythmusstörungen, nicht mehr therapierbare Blutarmut, sowie Oxalat-Knochenerkrankung und gegebenenfalls auch zum Tod.

Hohe Flüssigkeitszufuhr, Vitamin-B6-Behandlung im Falle der PH I und Gabe von Medikamenten, die die Kristallisation von Calciumoxalat verhindern, bilden das Rückgrat der konservativen Therapie, welche aber meist nicht ausreicht. Bei der Mehrzahl der Patienten kommt es zu einem endgültigen Nierenversagen, entweder frühzeitig schon im Säuglingsalter (=infantile Oxalose), oder aber im 2.-4. Lebensjahrzehnt.

Als ausreichend wirksamer Therapieansatz steht derzeit nur eine Nierentransplantation bei PH II, bzw. die kombinierte Leber- und Nierentransplantation bei bereits eingetretener Funktionseinschränkung der Niere bei Patienten mit PH I zur Verfügung.

Der klinische Verlauf der primären Hyperoxalurien ist sehr unterschiedlich, eine wirkliche Genotyp/Phänotyp Korrelation gibt es nicht. Die Ausprägung reicht vom bloßen Auftreten einzelner Nierensteine im hohen Alter bis zu einer frühkindlichen Nierenfunktionseinschränkung. Auch innerhalb der Familie kann die Variabilität hoch sein.

Die primären Hyperoxalurien Typ I (PH I) und Typ II (PH II) sind autosomal-rezessiv vererbte Störungen des Glyoxylatstoffwechsels. Die PH I wird durch einen Mangel oder gestörte intrazelluläre Verteilung der leberspezifischen peroxisomalen Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase (AGXT) verursacht. Dieser Enzymdefekt führt zu einem Aufstau von Glyoxylat, welches zu Oxalat abgebaut wird und damit eine schwere Hyperoxalurie von meist über 1mmol/1.73m2/Tag auslöst (normal < 0,5).

Der PH II liegt eine Defizienz der im ganzen Körper vorkommenden Glyoxylat-Reductase/Hydroxypyruvat-Reductase zugrunde (GRHPR). Auch hier akkumuliert Oxalat als Folge eines fehlenden Abbaus von Glyoxylat. Zudem finden sich bei PH II meist erhöhte Werte von L-Glycerat im Urin.

Andere Subtypen der PH kommen wahrscheinlich vor, da bis zu 20% der Patienten mit typischem PH-Phänotyp normale AGT- und GRHPR-Aktivitäten und unauffällige Sequenzbefunde für AGXT und GRHPR aufweisen (11, 3). Die Ätiologie dieser Subtypen war bisher vollkommen unbekannt. Vor kurzem wurde nun ein neues PH III Gen lokalisiert auf Chromosom 10 beschrieben (DHDPSL, Hydroxyprolinstoffwechsel). Es wird erwartet, dass in Bälde noch ein weiteres PH Gen gefunden wird.